Sunderns SPD schafft sich ab

Serhat Sarikaya hat aufgegeben. Seine Partei hat sich aufgegeben. Die anderen Parteien stehen nicht viel besser da. Ich gebe daher auch auf

Der alte und de facto wieder Parteivorsitzende Michael Stechele

Parteien schalten manchmal auf Selbstzerstörungsmodus. Die Bundes-SPD hat das schon vor langer Zeit getan. CDU und FDP haben sich dem in und nach Thüringen angeschlossen. Die Sunderner Genossen haben ihre Zerstörungswerk nun vollendet.

In der Mitgliederversammlung am Samstag hat die Mehrheit der Anwesenden den jungen, unbedarften, unerfahrenen, bisher kaum in Erscheinung getretenen Kandidaten derjenigen gewählt, die über Jahre den bisherigen Stadtverbandsvorsitzenden Serhat Sarikaya verhetzt und gehetzt haben, bis der das Handtuch warf. Und die Übelsten von ihnen nebst einiger ihrer Gattinnen auch noch in den Vorstand gewählt, sodass sie dort nun endgültig wieder den Ton angeben. Angeführt von Michael Stechele, der dem Gremium als Fraktionschef im Rat offenkundig für alle Zeit angehört.

Die Neuerer haben krachend verloren

Wahlen sind demokratische Akte. Sollten es zumindest sein. Diejenigen, die 2015 ihre Partei und die Stadt zu neuen Ufern führen wollten, haben krachend verloren; diejenigen, die das bis heute um jeden Preis verhindern woll(t)en, haben gewonnen, könnte man sagen. Wenn das mit offenem Visier passiert und hinter der Operation ein Plan, eine Strategie erkennbar wäre, wäre das zwar dumm, aber in Ordnung. Ist es aber beides nicht.

Stattdessen verzwergt sich die Orts-SPD zielstrebig weiter. Die meisten junge Genossen, die im Herbst eingetreten sind, um die Abwahl von Serhat Sarikaya zu verhindern, sind am Samstag nicht erschienen, nachdem einige von ihnen ihre Kandidatur für den Vorstand zurückgezogen hatten. Eine Reihe ist schon wieder ausgetreten. Nun dominiert wieder die Fraktion Ü60, die über Jahrzehnte keinen Erfolg hatte, sondern es liebt, sich Intrigen und der Selbstbeschäftigung hinzugeben. Camoufliert von einem Juso an der Spitze, der es vor einem Jahr noch abgelehnt hat, den örtlichen Juso-Verband anzuführen, den die Altgenossen aber nun aufs Schild gehoben haben, wahrscheinlich um Serhat vollends zu demütigen. Und damit es nicht ganz so offenkundig ist, wer hinter ihm steckt.

In den anderen Parteien ist es nicht besser

Das Alles wäre nicht weiter schlimm, wenn diese Partei nicht – noch – den Bürgermeister stellte (auch wenn der, wie Vorstandsmitglied Friedrich Nagel offen und ehrlich verkündet, nur zufällig der SPD angehört), und wenn die übrigen Parteien und Fraktionen in Sundern in besserer Verfassung wären. Auch das ist jedoch leider nicht der Fall. Auch sie sind so gut wie alle zerstritten und haben keinen Plan für die Stadt und ihre Bürger.

In der CDU haben die Altbürgermeister Wolf und Lins und andere mit machtvollen Interessen, welche die Stadt und ihre Partei zugrunde gerichtet haben, bis sie 2015 abgewählt wurden, noch immer maßgeblichen Einfluss. Der Vorsitzende Stefan Lange, obwohl im Herbst beeindruckend wiedergewählt, und seine Leute trauen sich ganz offensichtlich nicht und/oder schaffen es nicht, sie an den Rand zu drängen.

Die Bürgerliste „Wir sind Sundern“ ist in zwei Fraktionen zerfallen. Die mitgliederschwachen Grünen sind gleichfalls gespalten. Die FDP spielt keine nennenswerte Rolle. Die Keine-AfD – bislang – zum Glück gar keine.

Ein einziger Scherbenhaufen

Wie soll aus all dem nach der Bürgermeister- und Ratswahl am 13. September etwas Besseres werden? Die CDU wird sich über die Selbstdemontage der SPD freuen. Für eine absolute Mehrheit wird es ihr dennoch absehbar nicht reichen. Der neue Bürgermeister, ob Klaus-Reiner Willeke von den Grünen oder Georg TePass von der CDU, wird sich nach den Wahlen daran machen müssen, ohne Mehrheit im Rat den Scherbenhaufen aufzukehren, den ihm der jetzige Verwaltungschef Ralph Brodel hinterlässt.

Die SPD wird, soviel steht jetzt schon fest, dabei keine Rolle spielen. Die alten Strippenzieher unter Führung von Stechele haben denjenigen zur Strecke gebracht, der 2015 den Überdruss der Bürger über den langjährigen CDU-Filz und -Schlamassel nutzte, um maßgeblich einen Wechsel im Rathaus herbeizuführen. Mit leider niederschmetternden Ergebnis, aber immerhin.

Und denjenigen erledigt, der in der SPD-Fraktion als einziger für neuen Ideen stand und noch steht: Bernd Schwens. Ihn hat Stechele genauso wie Sarikaya mit allen Mitteln bekämpft und in der Fraktion isoliert. Er hat nun als Reaktion aus dem Durchmarsch der innerparteilichen Gegner auf einen Posten im Vorstand des Stadtverbands verzichtet, nach einem schmählichen Wahlergebnis, und erwägt, den Vorsitz des größten SPD-Ortsvereins Röhrtal niederzulegen. Man kann es ihm nicht verdenken.

Keine Initiative, aus keiner Partei

Nun denn. Ab sofort tragen die neuen alten Herrn allein die Verantwortung für das, was auf sie zukommt. 22,95 Prozent hat die SPD 2014 bei der Ratswahl errungen. Am 13. September dürften es noch weniger werden.

Was wird durch den Führungswechsel in der SPD anders, gar besser werden? Nichts. Stechele wird weiter versuchen, Strippen zu ziehen und den neuen Vorsitzenden Lars Dünnebacke, anders als dessen Vorgänger Sarikaya, an der kurzen Leine zu führen. Aber wenn Brodel im Herbst das Rathaus verlassen muss, werden er und die Seinen keinen Einfluss mehr auf die Verwaltung und die Geschicke der Stadt haben.

Die CDU hat allerdings auch keine besseren Ideen, von den anderen Parteien und Fraktionen nicht zu reden. Ihr Bürgermeisterkandidat Georg TePass redete zwar von einem Kultur- und Musikzentrum am Tiggesplatz. Aber als es zum Schwur kam, stimmten die CDU-Ratsmitglieder im SUI-Auschuss den Vorschlag von Bernd Schwens für eine wirkliche Innenstadtentwicklung an diesem zentralen Platz nieder und für das stumpfe Tappe-Bauprojekt eines überdimensionierten Drogeriegeschäfts. Die Vertreter der anderen Fraktionen bis auf den Grünen-Einzelgänger Toni Becker genauso.

Das war’s

In Sundern wird sich auf diese Weise nichts zum Besseren wenden. Der im dritten Anlauf erfolgreiche Putsch in der SPD ist dafür symptomatisch: Die Alten, die schon früher nichts hinbekommen haben, übernehmen wieder das Ruder.

Ich bin viel gescholten und angegriffen worden, weil ich mich als außenstehender Journalist in die Geschehnisse in Sundern eingemischt und Missstände aufgedeckt habe. Einige haben es mir gedankt. Meine Absicht war nie, für eine bestimmte Partei oder Person Partei zu ergreifen, sondern beizutragen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger selbst dafür einsetzen, Dinge zu verändern. Wenn ich mir jedoch die Entwicklungen in der Stadt und in der SPD nüchtern anschaue, muss ich sagen: Auch ich bin gescheitert. Veränderungen zum Besseren sind offensichtlich nicht gewollt. Jedenfalls nicht von der Mehrheit in den Parteien.

Deshalb stelle ich ab sofort meine Recherchen in der Stadt und meine Arbeit für das Sundern-Blog ein, die mir außer einigen Freund- und guten Bekanntschaften nur Ärger, Stress und einen Prozess eingebracht haben, auch wenn es die Herren Stechele, Brodel, Nagel usw. freut. Es sei denn, Sunderanerinnen und Sunderaner überzeugen mich, dass es sich weiter lohnt.

Viel Glück, lieber Bürgerinnen und Bürger dieser netten Stadt. Ihr werdet es brauchen.

Der Spaltpilz zersetzt alle Parteien – und die Demokratie

Nicht nur in Sunderns SPD, auch in der CDU und bei den Grünen bekämpfen sich verschiedene Lager, ebenso WiSu und BfS. Zum Schaden der Stadt

Weil mir immer wieder unterstellt wird, dass ich mich vornehmlich mit den Sunderner Sozialdemokraten beschäftigen würde und die immer neuen Wendungen des Ringens um den Vorsitz ihres Stadtverbands nachzeichne: Dem ist nicht so. Schon in meiner Reportage „Sauerländische Intrigen“ im Stern ist nachzulesen, dass die örtliche CDU mindestens genauso zerstritten ist. Doch kämpfen bis heute die Altbürgermeister Lins und Wolf mit ihren Lagern gegen die jetzige Führung von Partei und Fraktion – Ausgang offen.

Die jüngste Drehung in diesem Konflikt habe ich in meinem Beitrag hier im Blog zur Unterstützung des unabhängigen, aber nun auch offiziell Grünen-Bürgermeisterkandidaten Klaus-Reiner Willeke durch Lins und Wolf beschrieben. Der CDU-Streit hat für die Stadt und ihre Bewohner größere Bedeutung als der in der SPD. Denn erstens ist sie bis heute die stärkste Partei und stellt die größte Fraktion im Rat. Ohne sie geht dort fast nichts. Zweitens haben Wolf und Lins noch immer sehr starken Einfluss hinter den Kulissen, auch wenn sie keine Ämter mehr in der und für die Gemeinde bekleiden. Und sie haben enge Drähte zu den örtlichen Unternehmern. Mehr als der jetzige Bürgermeister.

Selbstmord auf Raten

Die SPD hingegen hat, auch wenn sie den Chef der Stadtverwaltung stellt, wenig zu sagen. Je mehr und je länger sie sich zerstreitet, desto geringer wird ihre Bedeutung werden. Ihre Bundespartei – und jetzt auch die der CDU – machen jedoch leider vor, dass sich Parteien häufig umso mehr intern bekriegen und führende Leute (oder solche, wie es wieder werden wollen wie Friedrich Merz) die jeweiligen Vorsitzenden und Kanzler oder -innen angreifen und abzulösen versuchen, je mehr sie an Rückhalt bei den Wählern verlieren.

Überspitzt kann man das als eine Art Todessehnsucht bezeichnen. Oder als Wunsch, Selbstmord zu begehen aus Angst vor dem schleichenden Tod.

Die Grünen haben ebenfalls lange leidvolle Erfahrungen im Führungs- und Richtungskampf. Solange sie jeweils die Gunst der Medien und der veröffentlichten Meinung genießen, wie nach dem Reaktorunfall in Fukushima, als sie schon mal zur neuen Volkspartei ausgerufen wurden, oder jetzt im Sommer im überdrehten Klimahype, herrscht auch bei ihnen Ruhe. Aber seit dem blamablen Abschneiden in Thüringen gärt es bei ihnen ebenfalls wieder. Ihre gefeierten Vorsitzenden Robert Habeck und Annalena Barbock müssen sich unangenehmen Fragen stellen, wie das passieren konnte.

Antonius Becker steckt zurück

In Sundern wollte der Parteivorsitzende Guido Simon eigentlich Bürgermeister Ralph Brodel unterstützen, wie 2015, obwohl das damalige Parteienbündnis, das ihn ins Amt brachte, längst zerfallen ist. Rats-Fraktionchef Antonius Becker dagegen wollte gegen ihn antreten. Nun haben sich beide mit der Mehrheit der Mitglieder dazu durchgerungen, Willeke zu unterstützen. Es wäre ja auch schwierig gewesen, als Grüne gegen einen Bewerber mit Grünem-Parteibuch Wahlkampf zu machen.

Die WiSu, 2014 mit 11,3 Prozent aus dem Stand als drittstärkste Kraft in den Rat gewählt, hat sich schon kurz danach gespalten, wie das häufig bei solchen Wählerlisten und Parteineugründungen geschieht. Zwischen ihren verbliebenen Ratsmitgliedern und denen der abgespaltenen „Bürger für Sundern“ herrscht seitdem Funkstille.

Schaden für die politische Kultur

Solche internen Kämpfe müssten Außenstehende nicht weiter interessieren, wenn sie nicht erhebliche Auswirkungen hätten. In Sundern ist das seit 2015 zu beobachten. Weil es keine klare Mehrheit im Rat gibt, so gut wie alle Parteien und Fraktionen zerstritten sind und der Bürgermeister sich nur noch auf einen Teil der SPD-Fraktion stützen kann, geht wenig voran. Wenn alle so weiter machen, wird sich daran nach der Rats- und der Bürgermeisterwahl im kommenden September wenig bis nichts ändern. Den Schaden hätten alle Bürger und Bürgerinnen, denen an einer erfolgreichen Weiterentwicklung der Gemeinde und einer gedeihlichen politischen Kultur gelegen ist.

Parteien sind nicht für sich selbst da. Sie sollen nicht Privatinteressen von Amts- und Funktionsträgern und ihrer Mitglieder dienen, sondern den Interessen der Wähler und Wählerinnen. Im Idealfall dem Gemeinwohl. Davon scheinen nicht nur mir so gut wie alle Parteien in Sundern weit entfernt.

Zu befürchten ist, dass davon bei der Ratswahl eine Partei profitieren wird, die bislang nicht im Rat sitzt: die AfD. Ihre Stärke speist sich – nicht nur im Osten, sondern auch im Westen, wo der überwiegende Teil ihrer Wähler lebt – in erster Linie nicht aus Begeisterung für ihr rechtsextremes Programm und Führungspersonal, wie Wählerbefragungen in Thüringen wieder gezeigt haben. Sondern aus Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien.

Einfach mal stillhalten

Die demokratischen Kräfte tragen deshalb große Verantwortung. Auch in Sundern. Insbesondere ihre einflussreichen, führenden Mitglieder. Jede und jeder sollte sich fragen, ob sie oder er verantworten will, dass in den nächsten Rat eine starke AfD-Fraktion einzieht, das politische Klima gänzlich vergiftet wird und dann in der Stadt noch weniger geht. Im Zweifel heißt das: eigene Ambitionen zurückstellen. Und – wie dem Sauerländer Friedrich Merz nun aus der eigenen Partei zurecht entgegenschallt: „einfach mal den Mund halten“.

Brodel und Stechele wollen Kritiker mundtot machen

Statt Fehlentwicklungen und Machenschaften abzustellen, versuchen der Bürgermeister und sein Helfer die zum Schweigen zu bringen, die sie öffentlich machen. Selbst Ratsmiglieder. Sogar innerhalb der SPD-Ratsfraktion. Das darf ihnen nicht gelingen.

Immer wieder werde ich gefragt, auch am Wochenende wieder, warum ich mich in und für Sundern so engagiere und immer wieder Dinge ans Tageslicht bringe, über die andere nicht berichten und die diejenigen, um deren Interessen es geht, um jeden Preis unter dem Teppich halten möchten. Die Antwort ist ganz einfach: Weil das die Aufgabe der Presse und von Journalisten ist. Jedenfalls sein sollte.

Dass ich mich im Moment viel mit Sundern befasse, ist – wie mehrfach dargelegt – Zufall. Ähnliche Missstände könnte man auch in vielen anderen Kommunen finden und ausgraben. Insofern sind die Stadt und die Politik im Rathaus und Rat nur beispielhaft.

Je mehr und je länger ich mich mit Sundern beschäftige, desto klarer wird mir, dass es bei den vielen gescheiterten Projekten, die zum Teil in die Zeit sogar vor Wolf zurückreichen, um mehr geht als nur Klüngel und Filz, wie es man es auch anderswo kennt. Insbesondere da, wo eine Partei viel zu lange an der Macht ist oder war und sich ihre führenden Leute die Gemeinde untertan gemacht haben, wie bei der CDU Sundern. Im Zusammenwirken mit Unternehmern, Geschäftsleuten und Verbandsvertretern, die ihre eigenen Interessen verfolgen. Nicht selten auf krummen Wegen.

Käufliche Politiker

Daraus entstehen korruptive Netzwerke, die oft auch dann noch weiterwirken, wenn die Verantwortlichen längst abgetreten sind oder abgewählt wurden. Denn damit ist ihr Einfluss ja nicht verschwunden. Nur dass er dann im Verborgenen oft noch schwerer zu erkennen ist. Damit beschäftige ich mich schon lange und habe ein Buch darüber geschrieben unter dem Titel: „Sind wir alle käuflich?“

Dass Kritiker und Journalisten, die solchen Machenschaften nachgehen und sie offenlegen, zum Schweigen gebracht werden sollen, ist folgerichtig. Denn in dem Moment, wo sie bekannt werden sowie die wirtschaftlichen und finanziellen Hintergründe und die handelnden Personen, wird es für diese schwierig. Denn dann stehen sie ziemlich nackt da, wie der Kaiser in dem bekannten Märchen: Bürger, Abgeordnete, Ratsmitglieder und andere Journalisten und Medien fragen nach. Kritiker, die schon lange vermuten, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht, die aber nicht dagegen ankamen, fühlen sich ermuntert und beginnen zu reden.

Das erlebe ich nun seit Wochen. Und das bringt mich dazu, weiter zu machen und nicht aufzuhören, wie es Herr Brodel, Herr Stechele und andere gerne hätten (siehe die Unterlassungserklärung gegen mich beim runinierten Freibad Amecke). Denn es geht um noch weit mehr: um Transparenz, die Kontrolle von Macht, ein Lebenselixier der Demokratie. Denn wenn die Vertreter des Volkes, in diesem Fall die Mitglieder des Rates, die Justiz und die Presse als „vierte Gewalt“ das Treiben der politisch Verantwortlichen nicht kontrollieren und kontrollieren können: Wer soll es dann tun?

Angriff auf die Demokratie

Deshalb ist es keine Kleinigkeit, wenn Bürgermeister Brodel nach meiner Veröffentlichung und der der Westfalenpost über seinen vorerst gescheiterten höchst fragwürdigen Deal zum Ankauf des Ferienpark-Geländes einen Maulkorberlass gegen die Ratsmitglieder und die Mitarbeiter der Verwaltung verhängt. Mit Hinweis auf genau diese Veröffentlichungen. Nicht anders kennt man das von Trump, Erdogan, Putin, Orban und anderen Autokraten, die Kritiker und Journalisten sogar ins Gefängnis werfen lassen. Über diese Macht verfügt Herr Brodel zum Glück nicht.

Aber auch so ist sein Schweige-Erlass ein Angriff auf die Demokratie: Die Ratsmitglieder unterstehen ihm nicht – anders als die Verwaltungsmitarbeiter und Beamten. Sie sind von den Bürgern gewählt, genauso wie er. Ihnen mit dem Strafrecht, Schadensersatzansprüchen und Ordnungsgeldern zu drohen, wenn sie mit Journalisten über Dinge reden, die verschwiegen werden sollen, ist ein Unding. Das dürfen sich frei gewählte Volksvertreter nicht gefallen lassen, finde ich, selbst wenn es in der Gemeindeordnung des Landes stehen sollte.

Fragwürdige Geheimhaltung

Genauso inakzeptabel ist, dass der Bürgermeister beabsichtigte Grundstücksgeschäfte wie im Fall Tiggesplatz und Ferienpark in den nicht öffentlichen Teil der Ausschüsse und des Rates packt. Denn dann bleiben seine Vorlagen geheim, die Ausschuss- und Ratsmitglieder dürfen über ihre Beratungen und deren Ergebnisse nicht sprechen, es gibt keine öffentliche Protokolle. Wie sollen die Bürger und Steuerzahler, um deren Interessen es letztlich geht, dann informiert werden? Erst recht, wenn es wie im Fall Ankauf des Ferienpark-Geländes von den niederländischen und belgischen Bodenspekulanten bei gleichzeitigem Verzicht auf die ausstehenden Erschließungsgebühren von 2,1 Millionen Euro eindeutig zu Lasten des städtischen Haushalts gehen würde. Und die Haupteigentümer dem krummen Deal nicht einmal zustimmen.

Ebenso, dass die Vertreter des Rates und damit der Bürger als Kontrolleure in den Gremien der zahlreichen städtischen Tochtergesellschaften zum Schweigen verdonnert sind und ihnen der Bürgermeister oder sogar Herr Stechele im Rat über den Mund fahren, wenn sie dagegen verstoßen. Es wurde sogar schon einmal ein Fraktionschef der Grünen, Herr Korn, in der Amtszeit von CDU-Bürgermeister Lins aus der Gesellschaftversammlung der Sorpesee GmbH ausgeschlossen, weil er es gewagt hatte, öffentlich zu machen, dass 2010 das Freibad Amecke endgültig geschlossen wurde – ohne Zustimmung des Rates. Obwohl diese offiziell privatwirtschaftliche Firma der Stadt gehört und sie Aufgaben der Gemeinde erledigt, genauso wie die Stadtmarketing-Gesellschaft, was früher Abteilungen der Verwaltung machten. Sie wurden nur deshalb ausgeliedert, weil die Stadt finanziell klamm war und ist. Was die beiden und andere städische Gesellschaften aber bis heute ebenfalls sind.

Drohungen gegen SPD-Ratsmitglied

Herr Brodel ist 2015 angetreten mit dem Versprechen, Transparenz zu schaffen und mit dem CDU-Filz aufzuräumen. Dafür wurde er gewählt. Was er tut, ist jedoch – so beklagen es viele, auch mir gegenüber – das exakte Gegenteil.

Der Gipfel ist, dass nun auch noch innerhalb der SPD massiv gegen ein kritisches Mitglied ihrer Ratsfraktion vorgegangen wird, der in Opposition zu Brodel und Fraktionschef Stechele steht. Stechele droht ihm wegen kritischer Äußerungen im Zusammenhang mit dem Tappe-Projekt am Tiggesplatz seit längerem mit Ausschluss aus der Fraktion, wenn er sie nicht widerruft. Parteichef Serhat Sarikya, der kürzlich selbst nur knapp seiner Abwahl entging, wird jetzt vorgeworfen, er habe es nicht geschafft, diesen Abweichler mundtot zu machen. Geht‘s noch?

Mitgliedern der CDU-Fraktion sagen mir, dass es ihnen allerdings auch nicht viel besser geht. Der Druck kommt in diesem Fall vor allem von Ex-Bürgermeister Detlef Lins. Der sich, wie von mir berichtet, nun auch erneut gegen Partei- und Fraktionschef Stefan Lange und dessen Bürgermeister-Kandidaten Georg Te Pass stellt und stattdessen hinter den Grünen-Kandidaten Klaus-Reiner Willeke, gemeinsam mit seinem Vorgänger Wolf.

Wenn die Einschüchterungsversuche in beiden großen bzw. ehemals großen Parteien Schule machen, darf sich – wie auch andernorts – niemand wundern, wenn sich Bürger entsetzt abwenden und bei der nächsten Wahl im September 2020 zu Hause bleiben oder ihre Kreuz bei der AfD machen. Schuld daran sind dann nicht die üblen Rechtspopulisten, sondern diejenigen, die das zu verantworten haben.

Schräges Bündnis: Wolf und Lins fördern grünen Bürgermeisterkandidat

Ist Willeke doch kein „unabhängiger“ Bewerber? Ausgerechnet die beiden CDU-Altbürgermeister machen sich für ihn stark, höre ich – gegen den wahrscheinlichen CDU-Kandidaten Te Pass und einen möglichen offiziellen Grünen-Bewerber. Der Machtkampf in der CDU lebt wieder auf.

Anfang Oktober hatte Klaus-Reiner Willeke, Leiter der Volkshochschule Arnberg-Sundern und Ortsvorsteher von Hagen, als Erster seinen Hut in den Ring geworfen: Er werde bei der Bürgermeisterwahl am 13. September 2020 als unabhängiger Kandidat mit Grünen-Parteibuch, aber ohne Funktionen dort, gegen SPD-Amtsinhaber Ralph Brodel antreten, kündigte er an. Falls er gewählt werde, wolle nach dem gescheiterten Experiment mit Brodel zusammen mit den Bürgern, Akteuren der Stadt und der Verwaltung einen politischen Neuanfang ermöglichen, versprach er – jenseits des Parteienhaders und der alten CDU-Seilschaften.

Das stieß bei nicht wenigen in der Stadt angesichts der verfahrenen Lage im Rathaus und im Rat auf Wohlwollen. Auch ich habe seine unabhängige Kandidatur positiv kommentiert.

Doch nun steht in Zweifel, wie unabhängig und frei der 61-Jährige tatsächlich ist. Denn wie ich aus mehreren Quellen erfahren habe, stehen hinter ihm die früheren CDU-Bürgermeister Wolf und Lins, die für viele der Missstände und gescheiterten Projekte verantwortlich sind, die Sundern bis heute belasten. Beide bedrängen nach meinen Informationen den Grünen-Fraktionsvorsitzenden Antonius Becker, auf eine eigene Kandidatur zu verzichten – zugunsten von Willeke. Ein höchst kurioser Vorgang: Denn sie mischen sich damit nicht nun in die Entscheidungsfindung der Grünen ein. Sondern sie stellen sich damit auch gegen den wahrscheinlichen Kandidaten ihrer eigenen Partei, den stellvertretenden Bürgermeister Georg Te Pass, und gegen ihren Partei- und Fraktionsvorsitzenden Stefan Lange, der Te Pass unterstützt.

Motiv: Rache

Da war er noch im Amt: Detlef Lins, heute Geschäfftsführer des Naturparks Sauerland Rothaargebirge und „Past-Präsident“ des einflussreichen Lions-Club Arnsberg-Sundern, in dem viele Unternehmer Mitglied sind

Lins hat es offenkundig bis heute nicht verwunden, dass ihn die CDU bei der letzten Wahl nach monatelangen Grabenkämpfen nicht wieder aufgestellt hatte, weil gegen ihn wegen Verdachts der mehfachen Untreue ermittelt wurde. Und sinnt auf Rache und Wiedergutmachung. Denn Te Pass gehörte vor vier Jahren wie Lange zu seinen entschiedensten Widersachern. Zeitweise hatte Lins sogar, wie ich hier im Blog berichtet habe, eine eigene erneute Kandidatur sondiert. Doch wahrscheinlich hat er eingesehen, dass er keine Chance hätte. Und unterstützt deshalb nun gemeinsam mit seinem Vorgänger Willeke, um Te Pass zu verhindern und seinen SPD-Nachfolger Brodel abzulösen.

Zwischen Lins, Wulf und Willeke gibt es eine Menge Verbindungen: Lins hat den Grünen 2012 zum Leiter der fusionierten Volkshochschule gemacht. Er und Wolf haben mit dafür gesorgt, dass er Ortsvorsteher von Hagen wurde. Und Willeke sitzt in dem von Wolf geleiteten Vorstand des Caritasrat Arnsberg. Sein Vater war in der CDU und Stadtdirektor von Sundern, bevor das Amt mit dem des Bürgermeisters zusammengelegt wurde und Wolf es übernahm.

Wahrscheinlich kalkulieren Lins und Wolf deshalb, dass sie Willeke steuern könnten, wenn er mit ihrer Hilfe und Stimmen aus dem Lager der CDU Bürgermeister wird. Beide haben noch immer erheblichen Einfluss in ihrer Partei und in der Stadt. Manche sagen sogar, er sei stärker als der von Lange und des jetzigen Bürgermeisters.

Kandidatur mit Grünen nicht abgesprochen

Die Frage ist allerdings ob ihr Kalkül aufgeht. Würde sich Willeke, der nach eigenem Bekunden früher eher ein Linker war und Friedensdemos organisierte, von ihnen kommandieren lassen? Und werden viele Grünen-Anhänger noch für ihn stimmen, wenn jetzt bekannt wird, dass er Rückendeckung ausgerechnet des letzten CDU-Bürgermeistern hat, gegen den ihre Partei fertig opponiert hatte?

„Ich weiß nicht, ob Willeke innerlich überhaupt ein Grüner ist“

ein führendes Grünen-Mitglied

Der Sundener Grünen-Vorsitzende Guido Simon sagte mir, von Gesprächen von Wolf und Lins mit Becker wisse er nichts. Eine Mitgliederversammlung werde Ende Oktober entscheiden, ob man Willeke unterstütze. „Ich bin dafür.“ Antonius Becker bestätigte mir lediglich: „Lins war bei mir. Auch wegen einer anderen Sache.“ Bei den Grünen gibt es allerdings einige, die sich kritisch über Willeke äußern. Er habe sich nie in der Partei engagiert. „Ich weiß gar nicht, ob er innerlich überhaupt ein Grüner ist“, sagte mir ein führendes Mitglied. Seine Kandidatur habe er mit den Verantwortlichen der Partei auch nicht abgesprochen.

Erneuter Angriff auf Lange

Extrem schwierig ist die Lage für CDU-Chef Lange. Lins fordert ihn wie schon 2015 offen heraus, indem er sich gemeinsam mit Wolf gegen den von ihm und dem Ortsverband Sundern im laufenden Auswahlverfahren favorisierten Kandidaten stellt und stattdessen einen Bewerber mit Grünen-Parteibuch fördert. Sollte der tatsächlich Stimmen aus dem Lange-gegnerischen CDU-Lager gewinnen, schwinden zudem die Chancen von Te Pass. Da es nach jetzigem Stand keine Stichwahl geben wird, könnte Willeke mit Unterstützung der Grünen, eines Teils der CDU-Anhänger und anderer Wähler, die einen (offiziell) unabhängigen Kandidaten gut finden, mit um die 30 Prozent Bürgermeister werden. Und Te Pass wie Brodel das Nachsehen haben.

Er müsste dann allerdings mit einem Rat zusammenarbeiten, in dem er nach der parallel stattfinden Kommunalwahl über keine Mehrheit verfügen dürfte. Denn bei der sich nun abzeichnenden Konstellation würden ihn dort weder die von Lange geführte CDU-Fraktion geschlossen noch die Fraktionen von SPD, BSF oder WiSu stützen, falls die beiden letzteren wieder in den Rat kommen. Er müsste sich dann wie Brodel von Fall zu Fall eine Mehrheit suchen.

Das wiederum würde den von ihm versprochenen politischen Neufangang erschweren, wenn nicht unmöglich machen. Es sei denn, er emanzipierte sich von seinen Förderern Wolf und Lins.

Ein erster Herausforderer für Brodel – gut so

Die Bewerbung des Volkshochschulleiters und Hagener Ortsvorsteher Klaus-Reiner Willeke für die Bürgermeisterwahl in Sundern am 13. September 2020 habe ich im Blickpunkt kommentiert. Er ist zwar Mitglied der Grünen, ohne Parteifunktion, tritt aber als unabhängiger Kandidat an. Nicht nur gegen SPD-Amtsinhaber Ralph Brodel, der 2015 noch durch ein Parteienbündnis auch mit den Grünen Bürgermeister wurde, und gegen einen Bewerber oder eine Bewerberin der CDU, der/die noch gesucht wird. Sondern womöglich auch gegen einen Grünen-Kandidaten.

Das belegt nicht nur ein weiteres Mal, wie verfahren die politische Lage in Sundern ist, sondern auch die Zerrissenheit nicht nur von SPD und CDU, sondern auch der mitgliederschwachen Grünen. Bei der CDU sondiert Altbürgermeister Detlef Lins ebenfalls eine Kandidatur auf eigene Faust – gegen seine Partei. Dann wären es schon fünf. Wenn die tief gespaltene SPD und/oder die von der WiSu abgespaltene BSF auch noch jemand gegen Brodel austellte, wären es sogar sechs oder sogar sieben.

Vielfalt und eine große Auswahl bei einer Wahl müssen kein Schaden sein. Aber den Wähler macht es das natürlich schwer, sich zu entscheiden. Und wer auch immer am Ende gewählt wird: Er oder sie muss im Rat mit allen Parteien zusammenarbeiten und sich dort Mehrheiten suchen. Denn bei der diesmal parallel stattfindenden Ratswahl wird voraussichtlich keine Partei eine absolute Mehrheit bekommen. Auch nicht die CDU, die bis 2014/15 Sundern politisch dominierte und zahlreiche Baustellen und Affären hinterlassen hat.

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